Dr. Baumgartner
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Dr. Foscht
Dr. Gubitzer
Dr. de Haan
Mag. Holzinger
Dr. Minsch
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Stellungnahmen zum futuro-Bewertungsalgorithmus
Stellungnahmen in alphabetischer Reihenfolge
- Univ.-Ass. DI Dr. mont. Rupert Baumgartner
Institut für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften, Montanuniversität Leoben
- Prof. Dr. Marina Fischer-Kowalski
Institut für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung, Abteilung Soziale Ökologie, Universität Wien
- ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Foscht
Institut für Handel, Absatz und Marketing, Universität Graz
- ao. Prof. Dr. Luise Gubitzer
Abteilung für prozessorientierte Ökonomie/VWL3 (Prof. Leonhard Bauer), Institut für Volkswirtschaftstheorie und -politik der Wirtschaftsuniversität Wien
- Prof. Dr. Gerhard de Haan
Freie Universität Berlin, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Arbeitsbereich Erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung
- Mag. Hans Holzinger
Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, Salzburg
- Prof. Dr. Jürg Minsch
Professur für Nachhaltige Entwicklung, Universität für Bodenkultur Wien
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Dr. Baumgartner
Dr. Fischer-Kowalski
Dr. Foscht
Dr. Gubitzer
Dr. de Haan
Mag. Holzinger
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Univ.-Ass. DI Dr. mont. Rupert Baumgartner
Institut für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften
Montanuniversität Leoben
Franz Josef Straße 18, A-8700 Leoben
Tel:++43/3842/402-6004
Fax: ++43/3842/402-6002
Email: rupert.baumgartner@wbw.unileoben.ac.at
22. Jänner 2004
Positiv aus meiner Sicht ist, dass im Rahmen des Konzepts versucht wird, soziale Aspekte zu quantifizieren (zb Entlohungsgerechtigkeit) und dass subjektive Gewichtungen vorgenommen werden können.
Kritisch ist anzumerken, dass die einzelnen Kriterien (noch) nicht alle möglichen Wirkungen abdecken - zb die Wirkung von Stoffströmen auf Seiten der senken. des weiteren ist sicher darauf zu achten, dass subjektive Festlegungen und Gewichtungen und (natur-) wissenschaftliche Ableitungen unterschieden und transparent dargestellt werden.
Dr. Baumgartner
Dr. Fischer-Kowalski
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Mag. Holzinger
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Prof. Dr. Marina Fischer-Kowalski
Institut für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung
Abteilung Soziale Ökologie
Schottenfeldgasse 29, A-1070 Wien
Tel: ++43/1/5224000-416
Fax: ++43/1/5224000-477
Email: marina.fischer-kowalski@univie.ac.at
7. Februar 2004 Insgesamt bestätigt sich nach Lektüre Ihres Berichtes mein ursprüngliches Urteil, dass "Futuro-Berechnung" ein intelligentes und spannendes Verfahren ist. In der Zwischenzeit wurde offenbar sehr viel Kraft investiert, die einzelnen Parameter zu durchdenken, zu konkretisieren und zu operationalisieren. Jetzt wäre eigentlich der Zeitpunkt gekommen, Ihre Ergebnisse einerseits einer breiteren Diskussion zu unterziehen, andererseits so etwas wie eine "Sensitivitätsanalyse" zu machen, auf welche Ungenauigkeiten, Schwankungen etc. Ihre Maße den besonders reagieren (man kann natürlich immer an jeder Operationalisierung etwas kritisieren, aber wenn es nicht sehr viel Unterschied macht, ob so oder so, dann kann man gelassener sein.)
Ich habe ein gewisses Unbehagen dabei, wie Sie die einzelnen Werte dadurch gewinnen, dass Sie ein Österreich-Gesamt auf ein Welt-Gesamt beziehen und diese Relationen dann herunterbrechen. Ich kenne die Schwierigkeiten, die aus solchen Verfahren resultieren, aus unseren Analysen zum ecological footprint (vgl. lange Diskussion in Zeitschrift Ecological Economics). Je nachdem, welche annahmen man über die "Gesamts" macht, kommen dann doch sehr andere Ergebnisse heraus - aber das wäre ein Fall für sensitivity analysis und verlangt genaueres Durchdenken, als ich jetzt aufbringen kann.
Probleme hab ich mit dem "Flächenverbrauch": man darf nicht so tun, als sei der "landwirtschaftliche Wert" einer Fläche naturgegeben. Mit besseren Technologien, und mit mehr Input an Fossilenergie, Wasser oder Agrarchemie, oder auch nur mit besser ausgewählten Produkten und besser qualifizierten Arbeitskräften, kann der Ertrag einer
Flächeneinheit ein Vielfaches steigen (das ist auch das Problem bei der Footprint-Berechnung). Außerdem geht es ja auch darum, wie viel durch unsere Ernte jeweils entnommen wird: wenn ich Kühe weiden lasse, bleibt ca die Hälfte der pflanzlichen NPP im Ökosystem, wenn ich Mais zur Schweinefütterung nutze, bleibt fast nichts (mit den bekannten Folgen für Biodiversität etc.). Hier sollten Sie nochmals die Footprint-Diskussionen studieren, und sich vielleicht Helmut Haberls u.a. HANPP (menschliche Aneignung von NPP) anschauen.
Erst recht Probleme hab ich mit der Toxizitätsfläche. Erstens ist industrielle Landwirtschaft nicht bloß, oder vielleicht überhaupt nicht primär, ein Problem der Toxizität. Zweitens macht eine intelligente Verwendung von Agrochemikalien einen riesen Unterschied! Drittens verwenden viele Entwicklungsländer auf den Subsistenzflächen überhaupt keine Agrochemikalien, dafür aber auf den Exportflächen große Mengen, haben aber dafür pro Flächeneinheit deutlich höhere Erträge. Wenn man schon von Toxizität redet (was ich wichtig finde), würde ich eher nach einem Maß suchen, das sich auf Humantoxizität bezieht ("Ökotoxizität" ist ohnehin fast unbestimmbar), und zB. von der Gesamtmenge toxischer Emissionen ausgehen (die das UBA schon halbwegs dokumentiert) und so nach den relativen Toxizitäten die Zahl der "getöteten" (Ratten oder Menschen) ermitteln. Das ist auch schwierig, weil zwar die Halbwertszeiten bekannt sind aber die Verläufe nicht linear, aber dieses Problem lösen andere "Toxicity-Indices" auch, und es ist politisch wesentlich relevanter.
Schließlich noch das Material: Da bin ich mit Ihnen nicht einverstanden, wenn Sie bloß die "Knappheit" zum Bezug wählen. Dass das methodisch problematisch ist, sagen Sie ja selber, aber es ist auch theoretisch nicht haltbar: Materialien werden ja nicht "verbraucht", sondern sie werden nur anders auf diesem Planeten verteilt. Von diesen relativen Verteilungen hängt ab (man könnte das in Georgescu-Roegen Manier auch Entropie nennen), wie belangvoll das für die Zukunft ist. Es gibt da ein sehr gutes Papier über Knappheit etc. von Robert Ayres, ich glaube unter den Working Papers von INSEAD ca 2001, das können Sie im Internet herunterladen. Ich teile zwar einiges an Ihrer MIPS-Kritik (außerdem ist das nicht operationalisierbar), aber trotzdem scheint mir eine Gewichtung mit "Rohmaterial-Äquivalenten" klüger als die Knappheit (das ist auch der Weg, den jetzt das World Resources Institut einzuschlagen scheint, ebenso wie das EUROSTAT). Man sollte sich bewusst sein, dass die Masse schon von Belang ist: für die Energie, die man braucht, sie zu gewinnen und zu transportieren (überhaupt fast alle Transportbelastungen sind massenabhängig), für die Größe des naturalen Systems, das damit beeinträchtigt wird, für die Abfallmengen, die deswegen zu entsorgen sind...
Ich wünsche Ihnen, dass Ihrer couragierten Anstrengung weiterhin genug Ressourcen zufließen, damit Sie jene Diskussionsprozesse, methodischen Prüfungen und Verfeinerungen machen können, die Ihrem Ansatz die erforderliche Legitimität vermitteln würden. Dorthin ist noch ein ordentlicher Weg, womöglich mit internationalen Kooperationspartnern zu gehen, aber mir scheint, es lohnt sich, diesen Weg zu beschreiten.
Dr. Baumgartner
Dr. Fischer-Kowalski
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ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Foscht
Institut für Handel, Absatz und Marketing
Universität Graz
RESOWI-Zentrum, Universitätsstraße 15/G3, A-8010 Graz
Tel: ++43/316/380-7213
Tel: ++43/316/380-3480 (Sekretariat)
Fax: ++43/316/380-9550
Email: thomas.foscht@uni-graz.at
19. Dezember 2003
Mit dem Konzept Futuro wird das Ziel verfolgt, Produkte hinsichtlich Ihrer Nachhaltigkeit zu bewerten bzw. diese Bewertung mittels einer fiktiven Währung auszudrücken.
Das Konzept kann als sehr innovativ bezeichnet werden und beinhaltet das Potenzial, Konsumenten hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Produkten zu sensibilisieren. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, wäre es neben anderen Maßnahmen erforderlich, auch bei den verantwortlichen Personen von Handelsunternehmen eine entsprechende Bereitschaft zur Unterstützung des Konzeptes vorzufinden. Der Handel würde auch in diesem Bereich als "Gate Keeper" zum breiten Markt fungieren.
An diesem Punkt setzte auch die Diplomarbeit von Herr Ulf Spitzer an, der die Sensibilität für das Thema Nachhaltigkeit sowie die Bereitschaft, das Konzept Futuro zu unterstützen sowohl bei Handelsmanagern als auch bei Konsumenten untersuchte. Im Rahmen der Befragung der Handelsmanager wurden auch Bedingungen für die Umsetzung des Konzeptes sowie mögliche Barrieren erörtert.
Die Untersuchung von Herrn Spitzer, die als Pilotuntersuchung zu verstehen ist und durch umfangreichere Erhebungen bzw. Experimente auf eine breitere Basis gestellt werden sollte, hat gezeigt, dass das Futuro-Konzept bei den entsprechenden Anspruchsgruppen sehr positiv aufgenommen, allerdings für die weitere positive Entwicklung noch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet werden müsste. In diesem Zusammenhang wird von den Unternehmen erwartet, dass die Konsumenten durch öffentliche Institutionen - und bestenfalls unterstützend durch das Unternehmen selbst - entsprechend informiert werden.
Dr. Baumgartner
Dr. Fischer-Kowalski
Dr. Foscht
Dr. Gubitzer
Dr. de Haan
Mag. Holzinger
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ao. Prof. Dr. Luise Gubitzer
Abteilung für prozessorientierte Ökonomie/VWL3 (Prof. Leonhard Bauer)
Institut für Volkswirtschaftstheorie und -politik der Wirtschaftsuniversität Wien
A-1090 Wien, Augasse 2-6
Tel.: +43/1/31336-4515
Fax: +43/1/31336-726
Email: luise.gubitzer@wu-wien.ac.at
30. Jänner 2004
Ziel des Projektes ist es, zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit im internationalen Handel, speziell zwischen Industrie und Entwicklungsländern, beizutragen. Durch Kennzeichnung mit dem nachhaltigen Preis "Futuro", sollten die Konsumentinnen und Konsumenten informiert werden, welche ökologischen und sozialen Kosten in dem Produkt enthalten sind, ob Menschen, die das Produkt herstellen, ausgebeutet oder ein existenzsicherndes Einkommen erhalten, das ihnen bei der Arbeit und nach der Arbeit ein menschenwürdiges Leben ermöglicht; insbesondere wird auch Wert auf die Chancengleichheit für Frauen gelegt (durch Verwendung des GDI = Gender-related development index der UNDP im Futuro-Bewertungsalgorithmus). Ebenso, ob die Natur nachhaltig genützt oder ob und in welchem Ausmaß ökologischer Schaden entsteht. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Berücksichtigung von gleichen Chancen von Männern und Frauen.
Mit diesem Ziel steht das Projekt Futuro in einer entwicklungspolitischen Tradition und ergänzt aktuelle, praktische Initiativen und Bestrebungen, wie z.B. Fair Trade. Die folgenden Ausführungen sollen dazu dienen, das Projekt Futuro in einem historischen, einem aktuellen/kontextuellen und theoretischen Zusammenhang einzubetten. Damit möchte ich die Wichtigkeit und den Stellenwert im Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen aufzeigen.
1) Historische und kontextuelle/aktuelle Einbettung des Futuro-Projektes: Bereits ab den 1950er Jahren begann ein Dialog zwischen Industrie- und Entwicklungsländern der von letzteren ausging. Anlass war das General Agreement on Tarifs and Trade - GATT - das 1947 von den Industrieländern vereinbart wurde. Entwicklungsländer waren darin kaum vertreten, da sie nicht als eigenständige Staaten, sondern als Kolonien als Teil der Industrieländer gesehen wurden. Da sie somit keiner Interessensvertretung im Welthandel angehörten, wurde mit ihrer Initiative 1964 die United Nation Conference on Trade and Development - UNCTAD - eingerichtet. In diesem Zusammenhang kam es auch zu einer alternativen Handelsbewegung mit der Gründung von UNCTAD-Läden. Im Rahmen der nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit wurde der "unfaire" Welthandel thematisiert und im Aufbau von "Weltläden" fairer Handel praktiziert. Ziel war es, "gerechte" Formen des Wirtschaftens vorzuleben und vor allem mit Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit Bewusstseinsbildung zu betreiben und Transparenz, z.B. über die Arbeits- und Handelsbedingungen zu schaffen. Mit der niederländischen Organisation Max Havelaar wurde 1988 die erste Siegelorganisation gegründet, die garantierte, dass die ProduzentInnen dieses Produktes - Kaffee - ein existenzsicherndes Einkommen erhalten, und dass sozial und teilweise auch ökologisch nachhaltig gewirtschaftet wird. Es folgte die Gründung der
Siegelorganisation - TransFair (1991 in Deutschland) und in der Folge in vielen Ländern mit dem Ziel, durch Ausweitung des Handels mit verschiedenen fair gehandelten Produkten den ProduzentInnen ein menschenwürdiges, auf der Grundlage der Menschenrechte, insbesondere Arbeitsrechte, beruhendes Leben zu ermöglichen unter gleichzeitiger Schonung und Bewahrung des Lebensraums Erde.
Der faire Preis inkludiert die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards. Das Siegel TransFair garantiert dies und ist somit Informationsträger für die KonsumentInnen.
Das Projekt "Futuro-Entwicklung fiktiver nachhaltiger Preise" steht in dieser Tradition, ergänzt aber Fair Trade in einem entscheidenden Punkt, dem ökologischen. Denn die Etablierung ökologischer Standards ist bei Fair Trade erst im Aufbau. Das Projekt "Futuro" berücksichtigt gerade die Ressourcen- und Umweltimplikationen sehr detailliert und ausführlich. Damit enthält es auch für TransFair wesentliche Impulse. Zudem informiert "der Futuro" über den nicht fairen Anteil des jeweiligen Produkts und ermöglicht, auf ein sozial und ökologisch nachhaltiges Produkt umzusteigen. Den HerstellerInnen des nicht fairen Produktes signalisiert ein Nachfragerückgang sozial und ökologisch nachhaltige Produkte auf den Markt zu bringen.
"Der Futuro" steht damit in der Tradition von Bewusstseinsbildung durch Information und Transparenz im Handel. Er informiert aber wesentlich detaillierter. Es gibt bereits seit Jahren eine große und immer größere Gruppe von KonsumentInnen, die sich mittels Siegel bzw. Produktaufschriften und Preise informieren und ihr Kaufverhalten danach ausrichten. "Der Futuro" wird in dieses Verhalten gut integrierbar sein. Zudem bietet er eine sehr konkrete Entscheidungshilfe, da Preise, ob fiktiv oder real, als zentrale Informationsträger wesentlich dafür sind, ob gekauft oder nicht gekauft wird.
2) Theoretische Fundierung/Einbettung: Dafür bieten sich verschiedene Konzepte an. Mir erscheinen die Folgenden zielführend, da sie eine erklärende, hinführende, theoretische Fundierung des "fiktiven nachhaltigen Preises Futuro" bieten.
a) Die Theorie des Marktversagens: Internalisierung externer Effekte: Aufgrund von Marktversagen ist es Unternehmen möglich, Kosten, die bei der Produktion anfallen, nicht selbst zu tragen, sondern zu internalisieren, sodass sie von Dritten getragen werden. Bei den externalisierten Kosten kann es sich um Lohnkosten, soziale Kosten und Umweltkosten handeln. Dritte, die diese zu tragen haben, sind dann z.B. die ArbeiterInnen in Form von nicht existenzsichernden Einkommen, von gesundheitlichen Schäden durch den Einsatz von Pestiziden, Giften bei Imprägnierungen und alle Menschen, auch zukünftige Generationen, bzw. die Natur durch hohe CO2-Emissionen, hohen Flächen-, Ressourcen- und Materialverbrauch, durch Schadstoffbelastung und Müll.
Der "fiktive, nachhaltige Preis Futuro" rechnet die Kosten, die internalisiert, verrechnet werden müssten, in den Preis ein und informiert so die KonsumentInnen auf wessen Kosten und in welcher Höhe sie konsumieren. Führt diese Information dazu, dass die KonsumentInnen ein substitutives Produkt wählen, bei dem diese Kosten internalisiert und aus Konkurrenzgründen teilweise vermieden werden, dann wäre dieses Marktversagen behoben. Sozial- und Umweltstandards wären eingehalten.
b) Theorie der nachhaltigen Entwicklung - sustainable Development: Was mit der Publikation "Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit" von Dennis Meadows und anderen 1972 begann, wurde mit dem Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung - "dem Brundtland-Bericht" auf den Begriff gebracht: Nachhaltige Entwicklung - Sustainable Development. Darin wird Entwicklung als dauerhafte ökologische Entwicklung definiert, die marktwirtschaftsverträglich gestaltet sein soll. Weiterentwicklungen führten zu einem erweiterten Nachhaltigkeitskonzept, das ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit in Einklang bringt.
Dies wird auch mit dem "fiktiven nachhaltigen Preis Futuro" beabsichtigt, der, wenn er nicht mehr fiktiv ist, eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet.
c) Vorsorgendes Wirtschaften: Dieser Ansatz wurde von Frauen aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz entwickelt. Er ist eine Erweiterung des Nachhaltigkeitskonzepts um die Dimension Vorsorge und Fürsorge. Der Ansatz wird vom Lebensalltag von Frauen aus gedacht. Als Orientierung des Wirtschaftens formulieren sie "gutes Leben". Als Prinzipien eines so orientierten Wirtschaftens gelten Vorsorge statt Nachsorge, Kooperation statt Konkurrenz und Orientierung am Lebensnotwendigen.
Zur Realisierung der Prinzipien dienen z.B. die folgenden Tätigkeiten: (Für)Sorge, Verantwortung, Rücksicht nehmen, überschaubare Handlungen setzen, solidarisch sein, bewahren, sich Zeit nehmen, wahrnehmen, eigene Bedürfnisse erkennen und angemessen befriedigen.
Die Prinzipien und die Fähigkeiten des vorsorgenden Wirtschaftens sind im "Futuro" enthalten und können durch den "Futuro" angeregt bzw. ausgelöst werden.
d) Weitere Theorie-Bezüge: würden sich zur Außenhandelstheorie, zu Entwicklungstheorien und zu Wachstumstheorien ergeben. Auf diese sei hier nur verwiesen.
3) Wirtschaftspolitische Einbettung: Auch hierzu dient als Ausgangspunkt die Theorie des Marktversagens, diesbezüglich jene der asymmetrischen Information. Dabei wird davon ausgegangen, dass ProduzentIn und KonsumtentIn unterschiedlich - asymmetrisch - informiert sind. Diesfalls haben die ProduzentInnen die umfassenderen Informationen. Um Informationssymmetrie herzustellen, wäre die Wirtschaftspolitik gefordert, z.B. über eine Korrektur der Marktverfassung eine Produktauszeichnungspflicht festzusetzen, die den KonsumentInnen die nötigen Informationen zur Verfügung stellt. Mit dem "fiktiven nachhaltigen Preis Futuro" soll auf freiwilliger Basis, als Selbstverpflichtung, die Informationsasymmetrie behoben werden.
4) Einbettung in das ethische Marketing: Beginnend mit dem Öko-Marketing bereits in den 80er Jahren wurde in der Marketinglehre und -praxis ein neuer Zweig des Marketings entwickelt. Dazu gibt es durch die vielen Jahre eine umfangreiche Literatur verschiedene Ansätze und Erfahrungen. Durch die zunehmende Kritik an den Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern entstand das ethische Marketing, vor allem mittels kontrollierter und zertifizierter Siegel. Damit konnten beträchtliche Marktanteile gewonnen werden. Der "fiktive nachhaltige Preis Futuro" entspricht einer Art ethischem Marketing und ergänzt dieses um einen sehr interessanten Ansatz. Genauere Studien dazu rege ich an.
Abschließende Bewertung: Auf Basis der oben herangezogenen Zugänge, sehe ich das Projekt Futuro, einen fiktiven nachhaltigen Marktpreis zu berechnen, als äußerst sinnvoll an. In einer Welt, wo Preise enorme Signalwirkung haben und wichtige Informationsträger für Kaufentscheidungen sind, kann "der Futuro" einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung in Nord und Süd leisten.
Dr. Baumgartner
Dr. Fischer-Kowalski
Dr. Foscht
Dr. Gubitzer
Dr. de Haan
Mag. Holzinger
Dr. Minsch
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Prof. Dr. Gerhard de Haan
Freie Universität Berlin
Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Arbeitsbereich Erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung
Arnimallee 9, D-14195 Berlin
Tel: +49/30/838-53054
Fax: +49/30/838-7549
Email: sekretariat@institutfutur.de
9. Dezember 2003
Aufmerksam wurde ich auf das Projekt futuro im Kontext unserer Suche nach ökologischen Rucksäcken und Fußabdrücken. Kurz: Querverweise im Internet haben zu Ihnen geführt. Mir hat das Konzept gefallen: Konkret, anschaulich, problemorientiert. Kurz: Modernen Lernkonzepten entsprechend.
Dr. Baumgartner
Dr. Fischer-Kowalski
Dr. Foscht
Dr. Gubitzer
Dr. de Haan
Mag. Holzinger
Dr. Minsch
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Mag. Hans Holzinger
Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen
Robert-Jungk-Platz 1 (ehemals Imbergstr. 2), A-5020 Salzburg
Tel: +43/662/873206
Fax: +43/662/873206-14
Email: jungk-bibliothek@salzburg.at
4. Dezember 2003
So wie das Bruttosozialprodukt keinen hinreichenden Maßstab für Wohlstand darstellt - Defensivkosten wie Autounfälle, (fehl)ernährungsbedingte Erkrankungen oder vom Klimawandel verursachte Naturkatastrophen erhöhen zwar das BSP, keineswegs jedoch unsere Lebensqualität - so sagen unsere Marktpreise ebenfalls nur begrenzt die Wahrheit. Mittlerweile zur Binsenweisheit geworden ist die Forderung der Umweltwissenschaften, die externalisierten Umweltkosten unserer Produkte in die Preise einzurechnen. Noch leben wir auf Pump späterer Generationen, wenn wir nicht erneuerbare Ressourcen im Eiltempo verbrauchen oder dem Ökosystem unkalkulierbare Folgeschäden zufügen. Die Bewegungen für einen fairen Handel mit den Ländern des Südens wiederum machen uns auf die nicht bezahlten sozialen Kosten aufmerksam, die in unseren importierten Gütern aus so genannten "Billiglohnländern" stecken. Der Futuro ist freilich noch nicht das nachhaltigere Markt- und Handelssystem - dieses erreichen wir nur durch die stärkere Besteuerung des Ressourcenverbrauchs sowie mit der internationalen Durchsetzung von Mindestsozialstandards (beides ist Aufgabe der Politik und erfordert starke Gewerkschaften bzw. Umweltlobbys) - der Futuro macht aber deutlich, dass unsere Preise derzeit nicht die ganze Wahrheit sagen. Der Futuro ist somit ein Instrument der Bewußtseinsbildung für kritischeren Konsum. Da macht es kein Problem, dass die angesetzten Preise immer nur Annäherungswerte sein können und die Bewertungen immer auch Wertungen einschließen. Die Kluft zwischen Futuro und Euro bzw. Dollar oder Yen zu verringern, bleibt dabei als notwendiges politisches Ziel.
Dr. Baumgartner
Dr. Fischer-Kowalski
Dr. Foscht
Dr. Gubitzer
Dr. de Haan
Mag. Holzinger
Dr. Minsch
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Prof. Dr. Jürg Minsch
Professur für Nachhaltige Entwicklung
Universität für Bodenkultur Wien
Feistmantelstr. 4, A-1190 Wien
Tel: +43/1/47654-3663
Email: juerg.minsch@boku.ac.at
30. Jänner 2004
"futuro" erinnert nach Wortklang und Schreibweise an den Euro. Dies ist Absicht. Während Euro für den Marktpreis steht, soll futuro jenen fiktiven Preis repräsentieren, der im Rahmen des vorliegenden Projektes für die nicht vom Marktpreis erfassten ökologischen und sozialen Kosten eines Produkts erarbeitet wird und mit dem Begriff "futuro" originell und äusserst geschickt kommuniziert werden soll: als Entscheidungshilfe für KonsumentInnen und als Marketinginstrument für ProduzentInnen.
Das Projekt greift damit auf ein klassisches Postulat der Umweltökonomie zurück, wonach der Preis als zentrales marktwirtschaftliches Informations- und Koordinationsmedium im umfassenden Sinne, also auch ökologisch und sozial, die "Wahrheit" sprechen sollte. Diese Kommunikationslinie hat denn auch wichtige Vorteile gegenüber bspw. den sog. Umweltzeichen (Labels), wie das Projektteam zu Recht argumentiert. Stichwortartig hervorgehoben seien: Ermöglichung echter Produktpreisvergleiche. Vergleichbarkeit nicht nur innerhalb einer Produktkategorie, sondern zwischen Produkten verschiedenen Kategorien bzw. Handlungsalternativen. Bewertung nicht nur des Produkts an sich, sondern Mitberücksichtigung der Produktmenge.
Der futuro ist daher m.E. eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Labels.
Die Projektarbeit kann aufbauen auf methodischen und empirischen Arbeiten im Bereich Umweltökonomie, Bewertung, ökologische und soziale Berichterstattung. Mir scheint es wichtig, dass das Potential dieser Vorarbeiten systematisch erschlossen und in den Dienst des vorliegenden Projekts gestellt wird. Als in diesem Zusammenhang wichtige methodische Herausforderung identifizierte das Projektteam zu Recht die Frage der sog. "Gesamt-futuro-Menge". Diese wird gemäss Bewertungsalgorithmus (vom 21. August 2003, S. 5f.) auf der Basis des sozialen Kriteriums "Entlohnung" (bzw. Entlohnungs-Ungerechtigkeit) und des ermittelten Gewichts dieses Kriteriums hochgerechnet. Die Konzeption der Gesamt-futuro-Menge ist für die Berechnung der Teil-futuro-Mengen (neben Entlohnung sind dies gegenwärtig: Sozialstandards, CO2-Emissionen, Flächenverbrauch, Schadstoffe/Toxizität, Materialverbrauch) massgebend und daher zentraler Teil der Gesamtkonzepts. Der Ansatz dieses Vorgehens ist ein interessantes, innovatives Modell, trotzdem scheint mir die theoretische Begründung für dieses Vorgehen noch ungenügend. Ja, ich vermute sogar, dass man nicht darum kommen wird, die Teil-futuro-Mengen wertmässig direkt einzeln zu erfassen, also ohne Rückgriff auf die nach dem vorliegendem Algorithmus fiktiv hochgerechnete Gesamt-futuro-Menge. Wobei in diesem Fall zu überlegen bleibt, auf welche Art die demokratische Komponente eingebracht werden kann, die durchaus auch ein wichtiges Element des futuro-Ansatzes darstellt, da ein nachhaltiger Kurs letztlich gesellschaftlich zu entscheiden ist - auf Basis von wissenschaftlichen Eckdaten.
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